Einhart Grotegut - Texte

Welt der Scherben

G. gräbt Groteguts Zeichen.

Wir sind die Erben der Scherben.

Noch gibt es sie nicht: die Halde für die Ewigkeit. Den Satz von der Erhaltung der Energie konnte bisher niemand widerlegen. Etwas scheint verloren und taucht - vielleicht bis zur Unkenntlichkeit verwandelt - ganz anderswo wieder auf.

Alle Scherben auf dem gleichen Berge.

Was also passiert, wenn G. gräbt? G. sucht. G. ersucht den Berg, seine Geheimnisse preiszugeben. Der Berg kann ein Haus sein, eine Scheune, eine Schachtung. Ich vermute, für G. ist nur das Graben der aktive Part. Dann ist es an dem Berg sich zu zeigen.

Zwischen Erde.

Es zeigt sich, daß die Erde den Berg ausmacht. Gesteine, die sich an den menschlichen Produkten aufgerieben haben. Nur die Menschen behaupten das Gegenteil und versuchen selbst noch die Erde sich untertan zu machen. G. versucht das freizulegen: Äxte, Pflugscharen, Spieße, Schlösser, Stiefel und Helme. Zwischen Erden. Wie ist das mit dem Vergessen? Erfahrung auf Halde.

Zwischen Scherben.

(Vielleicht entdeckt G. auch nur uns selbst. Unsere Sprache verrät uns da ganz schnell: ich bin außer mir!) Groteguts Atelier ist kein Ort der Tuben und Paletten. Was sich dort an findet, hat sich gefunden. Es riecht nach Erde. Wenn irgendwo das Wort von der Bild-Findung Recht hat, dann hier. Auf Groteguts Papieren und Gazen finden Erden und Scherben in Bildern zusammen, die der Sucht des Findens folgen. Alchemie ist im Spiel, wenn er etwas ganz Neues schafft, etwas erstaunlich Gegenwärtiges. Was vorher der Welt der Scherben gehörte, er transformiert es in seine eigene. Es sind nicht die Scherben, es ist die Komposition der Zeichen. - Groteguts Zeichen.

Das Werk.

(Während eine Marssonde auf dem roten Planeten landet, gräbt G. am Berg. Was aber tut - um Gottes Willen - die Marssonde? Sie gräbt am Berg.)

Manfred Wiemer, Dresden 1998