Lichtkunst unter Tage
Eine Ausstellung des Neuen Sächsischen Kunstvereins in den Kasematten

Man steigt einige Stufen unterhalb der Brühlschen Terrasse hinab, in der Nähe des historischen Gebäudes des Sächsischen Kunstvereins und befindet sich inmitten der ins Halbdunkel getauchten überreste der Renaissance-Festung Dresden. Für den Künstler Frank Voigt war es der ideale Ort, um an die Realisierung eines intermedialen Kunstprojektes nachzudenken, das LICHT thematisieren sollte.

Er lud sechs weitere Künstlerinnen und Künstler ein, die sich mit Erfahrungsräumen beschäftigten, in denen Licht dramaturgisches Gestaltungselement ist. Was die Künstler nun ins Sichtbare zwingen, hat etwas zu tun mit skurrilen Alltagserfahrungen, grotesken Geschichtchen und Philosophie. Voigt verwandelte eine Kammer der Kasematten in ein Kolumbarium, in dem drei mal vier Leuchtkästen, die entfernt auch an Formalinschreine erinnern mögen, an den Wänden hängen. Zu sehen sind entindividualisierte menschliche Gesichter.

"HomoGen" ist der Titel der zweiteiligen Arbeit, die sich im Gangbereich fortsetzt. Vier farblich unterschiedlich flimmernde Bildschirme stehen hintereinander. Auf ihnen erscheinen ähnliche Gesichter, die sich wie auf einem Hologramm zu bewegen scheinen.

Petra Lorenz schuf in Zusammenarbeit mit Frank Voigt in einem saalartigen Raum "Luxifera", den Lichtbaum, der den Zusammenhang von Licht, Wasser und Leben auf unglaublich romantische Weise verbindet. Im 2-Minutentakt wird eine Licht absorbierende Malerei von stilisiertem Blattwerk beleuchtet. Im Dunkeln ist dann der phosphorisierte Abglanz dessen zu sehen und das Herabfallen von Wassertropfen zu hören.

Auch Stella Pfeifer bezog sich mit ihrer Dualinstallation in zwei Nischen im Eingangsbereich auf den Ort der Präsentation, der der Verteidigung zu dienen hatte. Die Nischen sind mit undurchsichtiger aber lichtdurchlässiger Folie verhängt. Auf ihnen ereignen sich bewegte, in regelmässigen Abständen wiederkehrende, aber niemals völlig identische Schattenspiele.

Der Sichtbarmachung abstrakten Denkens, das die Beherrschung mathematischer Gesetzmässigkeiten voraussetzt, verschreibt sich Arne Reinhardt. Man steigt einige Treppenstufen hinauf und schaut in einen tiefen Schacht, in dem geometrische Verspannungen das Prinzip des Gaussschen Flugdrachen versinnbildlichen.

Ein tropfendes elektronisches Geräusch, das sich mit dem Strassenlärm vermischt, steigert sich in Lautstärke und Intensität bis zur Unerträglichkeit. "Station" nennt Frank Herrmann seine Installation, deren rätselhafter Charakter zu manch spekulativer Interpretation veranlasst. Eine "Station" ist ein Rastplatz auf der Reise zwischen Raum und Zeit, ein letztes Domizil auf verloren geglaubten Terrain. Eine computergestützte musikalische Komposition, die ihren Höhepunkt nach jeweils 10 Minuten erreicht, um erneut langsam und beunruhigend anzuschwellen, erarbeitete Frank Brettschneider.

Frank Herrmann beschreibt Licht die verwunschensten "Erscheinungen" auf Glasplatten: Wassereinschlüsse, Blattwerk, Gras, spinnwebenhafte Krakeluren, die gleichsam Energieentladungen manifestieren.

Niemand wird jedoch vermuten, dass man auch unter der Erde dem Schick und Charme der 60er und 70er Jahre ausgesetzt sein könnte. Die gute Möblierung bürgerlicher Gemütlichkeit ist der Rahmen einer "Ersten Einschränkung" von Erasmus Schröter. In Kommoden und Schrankwänden sind Leuchtkästen eingelassen, die wie Fernsehapparate, monumentale Standbilder einer skurrilen Szenerie wiedergeben.

Die rotierende Spiegelkugel ist für Klaus Elle Sinnbild unserer globalen Kultur, die als Symbol unserer tausendfach gebrochenen Wahrnehmung wirkt. Die gebrochenen Lichtreflektionen auf den Spiegelscherben überlagern sich mit den Licht- und Schattenbildern auf den Wänden. Der Betrachter wird ganz automatisch zum Bestandteil der Installation. Er ist, wie es Klaus Elle beschreibt, "Projektionspunkt, Unruheherd, geblendeter oder langer Schatten".

Zur Eröffnung führte die amerikanische Künstlerin Janet Grau, die seit März diesen Jahres in Dresden lebt, ihre Performance "miss perception" auf, in welcher der Zusammenklang von Körpersprache und Licht, Verborgenem und Sichtbarem, passiver Wahrnehmung und aktiver Teilnahme, Erkenntnis und Missverständnis erfahrbar gemacht wurde. Eine Videodokumentation begleitet die Ausstellung bis zu deren Ende am 31. Januar 2000.

Karin Weber, in: Dresdner Neueste Nachrichten v. 22.12.99, S.14